Eine von sieben

heise meldet:

Das Finanzgericht Köln hat in sieben Musterverfahren Klagen gegen die Steueridentifikationsnummer (Steuer-ID) abgewiesen. Der 2. Senat hat in den nun bekannt gegebenen Entscheidungen vom 7. Juli 2010 „erhebliche Zweifel“ an der Verfassungsmäßigkeit der Steuernummer geäußert (unter anderem 2 K 3093/08, 2 K 3986/08, 2 K 3265/08). Allerdings kam er nicht zu der Überzeugung, dass das Recht des einzelnen Bürgers auf informationelle Selbstbestimmung schwerer wiegt als das Interesse der Allgemeinheit an einer gleichmäßigen Besteuerung.

Die genannte 2 K 3265/08 war meine; insofern wird man sich denken können, dass ich im Ergebnis einigermaßen enttäuscht bin.

Erfreulich ist, dass der Senat in weiten Teilen der Argumentation der Kläger durchaus folgen konnte und bemerkt:

Ungeachtet dessen hat der Senat jedoch Bedenken daran, ob die Schwere des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die Regelung der §§ 139a, 139b AO durch das Gemeinschaftsinteresse an der Gleichmäßigkeit der Besteuerung aufgewogen wird, wenngleich er diesbezüglich keine volle Überzeugung gewinnen konnte.

So begründet die Schaffung der steuerlichen Identifikationsnummer die Gefahr der Bildung eines „großen“ zentralen Datenpools durch den Staat.

[…]

Und diese Datenpools können mitunter auch Rückschlüsse auf Tatsachen zulassen, die keinen unmittelbaren steuerlichen Bezug haben. So können z.B. aus der Höhe des Krankenversicherungsbeitrags Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers oder gar dessen Ehefrau oder dessen Kinder gezogen werden […]

Zwar hat der Gesetzgeber die Bildung weiterer Datenpools unter der Steueridentifikationsnummer mit der Regelung des § 139b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AO auf ein Minimum beschränkt, […]. Jedoch ändert dies nichts daran, dass – wenn auch auf ein bestimmtes Minimum beschränkt – weitere nach Steueridentifikationsnummern geordnete Datenpools entstehen, die möglicherweise miteinander vernetzt werden könnten.

Es ist also beileibe nicht so, dass meine bzw. unsere Sorgen bezüglich der „Personenkennziffer durch die Hintertür“ nicht ernst genommen worden wären – und das ist in einer Zeit, in der gesundes Misstrauen schnell als Paranoia interpretiert wird, nicht zu unterschätzen.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass vor dem Datenschutz erstmal die Datensparsamkeit kommt. Es ist fast als ungeschriebenes Gesetz anzusehen: Es wird Sicherheitslücken geben. Es wird Missbrauch geben. Keine noch so harsche Rechtsvorschrift wird das verhindern können, und dann wird das Geschrei groß sein. Daher noch einmal in aller Deutlichkeit: Der beste Schutz wäre, diese gigantische Datensammlung gar nicht erst anzulegen: Wo nichts ist, kann nichts kompromittiert und nichts missbraucht werden. Es ist ja nun nicht so, dass unser Staat im Moment nicht so recht wissen würde, wie er denn bitte seine Steuern eintreiben könnte. Es ist nur eben aufgrund fehlender Zentralisierung nicht ganz so einfach – und damit ist aber eben auch ein Missbrauch von Daten und eine Zusammenführung mit anderen Quellen ebenfalls nicht ganz so einfach. Ich persönlich halte das nach wie vor für eine gute Sache.

Und hier mag man mich dann doch als Paranoiker bezeichnen, aber ich prognostiziere neben Sicherheitslücken und Missbrauch noch etwas weiteres: Es wird Zusammenführungen mit anderen Daten geben. Die Steueridentifikationsnummer wird sich mittelfristig als Einstieg in die Personenkennziffer herausstellen, die das Bundesverfassungsgericht bereits als unzulässig gebrandmarkt hat. Es wäre wirklich eine große Überraschung, wenn angesichts der technisch fraglos bestehenden Möglichkeiten tatsächlich keinerlei Begehrlichkeiten geweckt würden. Wetten wir?

Zum guten Schluss möchte ich einfach noch einmal zitieren, wofür genau wir eigentlich in Kauf nehmen sollen, von der Wiege bis 20 Jahre nach der Bahre sämtliche Bundesbürger in einer riesigen Datei zu katalogisieren:

Der Zweck der Zuteilung und Verwendung der Steueridentifikationsnummer insbesondere zur Datenspeicherung nach §§ 139a, 139b AO besteht im Wesentlichen in der gleichmäßigen Besteuerung, die durch einen gleichmäßigen Gesetzsvollzug sichergestellt sein muss, und in der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens.

Gleichmäßiger. Einfacher. Das ist alles.

Wie gesagt: Dass ich mit dem Ergebnis nicht zufrieden bin, wird sich jeder denken können. In den nächsten Tagen werde ich mich daher erstmal intensiver mit der Urteilsbegründung auseinandersetzen und mich dann mit meinem Anwalt beraten, ob und wie wir weiter verfahren werden.