MySpace: Willkommen hinterm Mond

Double-Opt-In ist der Fachbegriff für eine Methode, mit der eine Bestellung eines e-Mail-Newsletters oder auch einer Ware/Dienstleistung über das Internet juristisch möglichst wasserdicht vonstatten gehen soll.

Ziel dieses Verfahrens ist es, sicherzustellen, dass nicht irgendeine x-beliebige Person unter fremdem Namen für eine fremde Person im Internet etwas bestellen kann, sei es aus Jux, oder um die fremde Person bewusst zu schädigen.

[…]
In der Regel ist denn auch ein seriöser Dienstleister neben anderen Merkmalen wie schlüssigem Impressum, gutem Leumund in Suchmaschinen u.a. an der Durchführung dieses Double-Opt-In-Verfahrens zu erkennen.

Dagegen berufen sich unseriöse Versender von Newslettern („Spammer“) häufig auf das einfache Opt-In-Verfahren. Sie behaupten schlichtweg, der Spamempfänger habe sich per Opt-In bei dem Newsletter angemeldet, […]

(Quelle)

Seit Monaten erhalte ich den MySpace-Newsletter an root@extraserver.net. Die Domain gehört zu den von mir betreuten. Wie man sich anhand des Teils vor dem @ vermutlich denken kann, handelt es sich hierbei um eine Systemadresse, an die eigentlich nur Cronjobs „schreiben“. Wenn ich also eins mit Sicherheit ausschließen kann, dann, dass ich unter dieser Adresse einen Newsletter abonniert habe. Schon gar nicht den von MySpace. MySpace interessiert mich nämlich nicht die Bohne.

Die Newsletter enthalten einen Abmeldelink. Der ist lang und kryptisch. Rufe ich ihn aber auf, bekomme ich sofort einen Redirect auf die Startseite – und den Newsletter weiterhin. Fan-tas-tisch.

Also denk ich mir, „schreibste denen mal ne Mail“. Ich gehe auf myspace.com. Erstmal muss ich ganz nach unten scrollen, zu „Über MySpace (Impressum)“, denn etwas, was irgendwie nach „Kontakt“ klänge, findet sich nicht. Im Impressum finde ich keine E-Mail-Adresse. Stattdessen einen „Kontakt & Kundendienst: Bitte hier klicken“-Link. Ich lande auf der Seite „Häufig gestellte Fragen / FAQ“. Ja Himmel, diese Seite war in der Fußzeile neben dem Impressum verlinkt. Hätte ich hierhergewollt, hätte ich das schon angeklickt. Aber schön. In einer Seitenleiste, unter „Nützliche Links“ finde ich in kleiner Schrift den Punkt „Wende dich an MySpace“. Gut, endlich. Ich komme auf die Seite „Kontaktanfrage“ und muss ein Thema wählen. Das Thema „Andere“ ist das einzige, was passt. Die überraschende Auswahl der Unterthemen: „Problem wird nicht aufgeführt“ – und „Ist MySpace kostenlos?“. Nun denn, mein Problem wird nicht aufgeführt. Senden. Kann ich jetzt meine Nachricht senden? Oha, noch nicht: MySpace stellt anhand meiner griffigen Themenauswahl zunächst fest: „Die folgenden häufigen Fragen sind für deine Frage möglicherweise relevant“. Nein, sind Sie nicht! Ich muss noch den Button „Nein, E-Mail an Kundenservice senden“ anklicken. Dann, dann endlich bin ich auf einem Eingabeformular. Es ist betitelt mit „Du schickst eine E-Mail an den Kundenservice, nicht an Tom“. Rechts daneben ein Bild von Tom. In einem roten Kreis, durchgestrichen. Untertitel: „Diese Nachricht geht nicht an Tom“. Ich habe keine Ahnung, wer Tom ist. Ich kenne keinen Tom. Aber langsam glaube ich, MySpace hält seine User für beschränkt. Und noch viel wichtiger: MySpace will auf keinen Fall mit irgendjemandem kommunizieren. Flugs noch einmal nachgezählt: Fünf Klicks war das Kontaktformular letztlich entfernt. Doch damit fing das Grauen erst an. Wie’s weitergeht, seht ihr gleich, nach der nächsten Maus.

Ein Kontaktformular ist keine „Adresse der elektronischen Post“ – Allein das Bereitstellen eines Kontaktformulars im Impressum einer Internetseite genügt den Anforderungen von § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG nicht.

(Quelle, Leitsatz der Redaktion zu: LG Essen, Urteil v. 19.09.2007, Az. 44 O 79/07)

Wie’s mit dem eigentlichen Grauen dann weiterging, wollte ich erzählen. Ich schreibe also munter an MySpace, ganz freundlich, dass ich mich nicht daran erinnern kann, diesen Newsletter bestellt zu haben, und dass ich gerne den Opt-In-Nachweis für die Zusendung des Newsletters an diese Adresse sehen möchte.

MySpace kontert:

Falls du das Problem hast, dass jemand deine E-Mail-Adresse für ein Betrügerprofil verwendet, können wir dir zur Hilfe kommen. […] Du mußt uns dann nur schreiben, dass wir für dich das Betrügerprofil bitte löschen sollen. Bitte schicke uns dabei gleichzeitig die URL oder die Freunde-ID des Betrügerprofils (damit meinen wir den Namen bzw. den Nummernstrang am Ende der http:// Adresse im Webbrowser, wenn du das Profil besuchst, z.B. http://profile.myspace.com/…viewprofile&friendid=0000000 oder http://MySpace.com/MySpaceURL).

Äh, bitte was? Was weiß denn ich, wie die MySpace-URL oder die friendid von dem Spaßvogel heißt, der eine von mir betriebene E-Mail-Adresse in seinem Profil eingegeben hat? Und vor allem: MySpace wird doch wohl bitteschön bei der Registrierung eine Mail an jene Adresse senden, damit jene validiert werden kann – was ist denn da schiefgegangen, dass auch ohne diese Validierung einfach mal ein Newsletter verschickt wird? Nebenbei wurmt mich, dass MySpace mich einfach so duzt. Das mag ja unter den MySpace-Freunden so üblich sein. Ich bin aber keiner von denen. Aber ich will mal nicht so sein, auch wenn ich eisern beim „Sie“ bleibe. MySpace bleibt eisern beim „du“. Ist wohl Corporate Identity.

Ich schreibe MySpace, dass ich keine Ahnung habe, was für ein Profil das sein soll, und erinnere daran, dass mir gegenüber noch ein Opt-In-Nachweis zu erbringen sei. Diesmal setze ich noch eine Frist dazu. Macht sich immer gut.

Die Antwort verblüfft:

das fragliche Profil/ die Gruppe/ der fragliche Inhalt wird in Kürze gelöscht oder wurde bereits gelöscht. Damit sollte außerdem behoben sein, dass du keine weitere Newsletter erhältst. Wir bitten jedoch in diesem Zusammenhang um etwas Geduld. Auch wenn sich das Profil im Löschungsprozess befindet ist es möglich, dass deine Email Adresse noch auf der Verteilerliste steht. Spätenstens nach dem übernächsten Zyklus sollte dies behoben sein. Solltest du danach noch Newsletters erhalten, dann wende dich bitte erneut an uns.

Äh, ja, und wo genau war jetzt der Opt-In-Nachweis? Und wieso wird die E-Mail-Adresse nicht einfach aus dem Verteiler entfernt, sondern das Profil (das mir schnuppe ist – ist ja nicht meins) in einen „Löschungsprozess“ versetzt, von dem ich noch den „übernächsten Zyklus“ abwarten muss? Was ist überhaupt ein Zyklus? Ein Tag? Eine Woche? Ein Monat?

Ich verwende MySpace gegenüber nun partiell Großbuchstaben und fordere sie ein drittes Mal dazu auf, MIR DEN OPT-IN FÜR DIE ZUSTELLUNG IHRES NEWSLETTERS AN DIESE ADRESSE NACHZUWEISEN.

Doch MySpace ist eine offensichtlich gut geölte Ignoranzmaschine. Prompt folgt:

Wenn du kein Konto mehr bei uns hast dann werden wir daran arbeiten deine Email-Adresse aus dem System zu löschen. Solltest du danach wider Erwarten dennoch Nachrichten und Newsletter von uns erhalten, informiere uns bitte umgehend.

Wenn dein Problem dadurch nicht vollständig gelöst wird, dann klicke auf „Antworten“ und gib uns zusätzliche Informationen, die in deinen Augen relevant sind.

Heute nachmittag schrieb ich noch, dass ich nach meiner bisher einzigen Klage – trotz Erfolges – nicht wirklich Gefallen daran gefunden hätte, andere zu verklagen. In mir steigt ein starkes Wutgefühl auf und ich frage mich, ob ich nicht vielleicht doch Gefallen daran finden könnte. Himmel nochmal! OPT-IN! NACHWEIS! JETZT! Das kann doch wohl für eins der größten sozialen Netzwerke weltweit nicht so ein Problem sein! Ich schreibe erneut. In Großbuchstaben. Zwischen gestrichelten Linien. Dass ich endlich den Opt-In-Nachweis sehen will. Und dass ich ja eine Frist gesetzt hatte. Und dass die noch gilt.

MySpace, eisern.

die E-Mail Adresse root@extraserver.net wurde bereits aus dem Verteiler genommen. Bekommst du weiterhin noch den Newsletter?

Mich durchzuckt die Erinnerung an eine Szene aus „Die Nanny“: Mr. Sheffield ist nach einem von Miss Fines sprudelnden Wortwasserfällen in zu hoher Tonlage bemerkenswert still. Seine nächsten Worte sind: „Ich glaube, ich hatte gerade einen Hirnschlag.“

Ich antworte wahrheitsgemäß, dass ich bisher keinen weiteren bekommen habe, aber ja auch gar nicht weiß, wie oft er verschickt wird. Und ob meine Adresse schon gelöscht wurde. Oder noch im Löschungsprozess hängt. Und wieviele Zyklen jener noch vor sich hat. Und ich erinnere an die Frist. Opt-In-Nachweis, wissenschon.

MySpace sieht die Ursache für den ganzen Aufriss nicht etwa darin, dass man nicht dazu in der Lage ist, mir meinen Opt-In nachzuweisen, sondern schiebt es auf den User. Kein Wort davon, dass es für die gesamte seriöse Werbe- und Newsletterbranche schon seit Jahren völlig selbstverständlich ist, das Einverständnis für den Erhalt eines Newsletter zu -p-r-ü-f-e-n-, bevor man den Newsletter tatsächlich versendet. Aber es liegt natürlich auf der Hand: MySpace ist hier das Opfer. Das Opfer eines betrügerischen Jungen, der so gemein war, meine E-Mail-Adresse in seinem Profil einzutragen:

mit der Erstellung eines MySpace Profiles, erfolgt automatisch die Zusendung der Newsletters und der Benachrichtigungen an die im Profil angegebenen Email Adresse. Nach der Erstellung des Profiles hat der User die Möglichkeit, diese Optionen abzustellen.
Der User, der deine Email Adresse für sein Profil verwendet hat, hat diese Optionen nicht abgestellt, daher hast du die Newsletter erhalten, was nun nicht mehr sein sollte, weil das Profil bereits gelöscht wurde.
Leider ist es uns nicht möglich die persönlichen Daten unserer Benutzer ohne ordnungsmäßigen, rechtsgültigen Antrag herauszugeben.

MySpace schließt mit einem überraschenden Hinweis:

Bitte stelle eine Anklage oder leite rechtliche Schritte bei der deutschen Polizei ein und die soll sich dann mit uns in Verbindung setzen.

What the f..? Ich will doch gar nicht wissen, wer da was für ein Profil eingerichtet hat! Ich will wissen, wie MySpace dazu kommt, mir einen Newsletter zu senden und mir dann mein Einverständnis nicht nachzuweisen! Wenn ich zur Polizei gehe, dann höchstens, um jemanden wegen Spammings anzuzeigen. Nämlich MySpace.

Der Mailwechsel endet mit zwei überraschend kurzen Mails, mit denen dann auch alles gesagt ist.

Ich:

Senden Sie dann etwa nicht an die angegebene E-Mail-Adresse z.B. einen Bestätigungslink, der erst noch angeklickt werden muss, um sicherzustellen, dass die Adresse auch wirklich der Person _gehört_, die sich gerade bei Ihnen registriert?

MySpace:

Hallo,

nein. Eine Bestätigungs-Email zur Verifizierung der Email Adresse wird nicht versendet.

Vielen Dank,
Myspace.com

Na dann: Willkommen im 21. Jahrhundert.

Eine Antwort auf „MySpace: Willkommen hinterm Mond“

  1. Das ist echt nervig und vernünftige rechtliche Schritte gegen Spam konnte ich bisher noch nicht finden, selbst wenn dieser aus Deutschland kommt.

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