Einer meiner engeren Geschäftspartner klagte mir sein Leid: Eine seiner Mitarbeiterinnen verhält sich sowohl ihm als auch ihren Kollegen gegenüber ziemlich unangemessen, bemängelt stets die Fehler anderer, obwohl ihr selbst unterlaufen, lässt gemeinschaftliche Arbeiten (mal Geschirr in der Büroküche spülen) grundsätzlich liegen … und auf einen dezenten Rüffel ihres Chefs hin sagte sie frei heraus, ihr Verhältnis zu ihm sei so kumpelhaft, da könne sie ihn nicht wirklich als Autorität ansehen.
Ich habe das zunächst für ein ganz typisches Spannungsfeld gehalten: Niemand will einen herrischen Chef, der nur brüllt und maßregelt, aber wenn es gar zu kumpelhaft wird und Hierarchien zu sehr verschwimmen, ist das weder gut fürs Geschäft noch fürs persönliche Miteinander. Im Grunde geht es hier aber eher darum, dass der Respekt verlorengegangen scheint. Ich rede hier nicht von einem Respekt seinem Brötchengeber gegenüber, denn Respekt, der aus Hierarchien entsteht, ist Murks. Ich rede von dem Respekt, mit dem man jedem begegnen sollte: Dem Kunden genauso wie dem Kollegen genauso wie dem Chef. Mich muss niemand respektieren, weil ich ein Gehalt bezahle: Dafür bekomme ich bereits die Arbeitsleistung des jeweiligen Angestellten. Als Chef das letzte Wort zu haben ist für mich kein Privileg, das ich mir mit finanziellen Leistungen erkaufe, sondern eine Übereinkunft zum Vorteil beider: Schließlich muss ich bei Problemen letzten Endes nicht nur für meine Leistungen, sondern auch für die meiner Mitarbeiter den Kopf hinhalten. Das ist der Luxus eines Angestellten: Es läuft zwar nicht immer so, wie er es selber gerne hätte, aber er muss dafür auch nicht geradestehen. Solange man das Gros der Entscheidungen seines Chefs teilt, ist man deshalb ja nicht weniger am richtigen Platz.
Was bleibt: Respekt muss. Nicht wegen des Gelds, sondern weil Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nun mal so funktioniert – nur so, wie ich meine. Ich sehe kein Problem darin, mit meinen Angestellten auch durchaus freundschaftliche Verhältnisse zu haben, ohne dabei Respekt einzubüßen. Letztlich liegt es ja auch am Verhalten eines Angestellten, ob der Chef „den Chef raushängen lassen“ muss, oder ob das eigene Verhalten dazu beiträgt, eine kollegiale Atmosphäre trotz formal ja bestehender Hierarchien zu begünstigen.
Wenn wie im Fall meines Geschäftspartners die Respektlosigkeit allerdings so weit geht, dass selbst die Kollegen nicht mehr mit der fraglichen Person in einem Büro sitzen wollen und noch dazu auch die Flapsigkeit Kunden gegenüber Überhand nimmt, dann ist Handeln gefragt. Sozialer Umgang mit anderen ist nicht optional, und selbst noch so umfangreiche Sachkenntnis im Job kann mangelnde Umgangsformen ausgleichen. Kein Unternehmen, egal wie groß, verträgt derart belastende Störfaktoren. Im konkreten Fall wird es wohl nur noch ein einziges deutliches Gespräch geben, an dessen Änderung dann entweder Einsicht stehen wird – oder eine Kündigung.