Die Telekom ist sich auch für nichts zu schade

Neulich klingelt es an meiner Tür und als ich öffne, steht vor mir ein Telekom-Schlipsträger. Man habe neue Leitungen verlegt und „wir holen jetzt alle Anschlüsse hier im Haus zurück“.

Bevor ich mich darüber auslasse, hier ein paar Hintergrundinformationen: Ich hab mir beim letzten Umzug sehr genau überlegt, wo ich mir einen DSL- und einen ISDN-Anschluß herhole. Letzteres war nicht weiter schwer, da es nur eine kleine Auswahl an Anbietern gibt, von denen man noch ISDN-Anschlüsse bekommt. Bei den DSL-Anschlüssen war die Auswahl schon schwieriger, vor allem weil es neben den vielen Anbietern auch einen unglaublichen, meiner Ansicht nach schon kriminell kundenfeindlichen Wirrwar aus Tarifen und Vertragskonditionen gibt. Was ich da an Notizen, Übersichten und Gegenüberstellungen zusammengekritzelt habe… sagen wir einfach es endete schließlich darin, daß ich mir vorgenommen habe, beim nächsten Mal mit Computerunterstützung an diese Entscheidung heranzugehen. So oder so, die Telekom kam trotz meiner in über zehn Jahren aufgebauten, begründeten Abneigung gegen diesen Konzern letztlich in die engere Auswahl der vier Anbieter, bei denen ich tatsächlich angerufen habe, um mich nochmal beraten zu lassen und die Verfügbarkeit von ISDN und DSL in meiner zukünftigen Wohnung zu klären. (Und ich kann nur jedem empfehlen, tatsächlich anzurufen. Wie man sich allein durch den Tarifwald allein eines Anbieters finden soll, ist mir schleierhaft. Die Hotline-Mitarbeiter aller Anbieter mit denen ich telephoniert habe, kannten sich da besser aus und kannten sogar Tarifoptionen die ich auf den Webseiten der Anbieter nichtmal gefunden habe.)

Ergebnis: Damals konnte mir die Telekom in meiner neuen Wohnung kein VDSL anbieten (alle Anschlüsse in der Gegend sollen belegt gewesen sein – was mich in der Berliner Innenstadt, in der ich ja vor einigen Jahren Zeuge des großen VDSL-Ausbaus wurde, etwas komisch vorkam), und bei normalem DSL konnte mir die Telekom damals maximal etwa 2000 kbit/s im Downstream anbieten. Da ich von zu Hause aus arbeite und hin und wieder auch mal größere Datenmengen bei mir anfallen, war mir das zu wenig, zumal andere Anbieter für weniger Geld mehr geboten haben. Ein weiteres Problem war, daß ich bei der Telekom auch keine für meinen Bedarf optimale Tarifoption finden konnte. Ich hätte z.B. auch gerne für ein paar Euro im Monat die Option genommen, ihre recht weit verbreiteten WLAN-Router in Restaurants mitnutzen zu können, was sie aber nur in Verbindung mit Mobilfunkverträgen anbieten, wohlbemerkt auch nur mit den teuren Verträgen. Diese Firma will einfach keine Kunden haben.)

Zurück zum Telekom-Schlipsträger vor der Wohnungstür: Man wollte meinen Anschluß also „zurückholen“. Ich bräuchte das nur kurz zu bestätigen, dann werde alles sofort in die Wege geleitet und ich müßte mich um gar nichts kümmern. Der Mann erwähnte natürlich mit keiner Silbe, daß eventuelle Vertragslaufzeiten mit meinem derzeitigen Anbieter bestehen können und die Telekom die Kosten selbstverständlich nicht übernimmt (hab ich später recherchiert). Aber er erwähnte mehrmals, daß man mir großzügigerweise sehr künstige Konditionen machen würde, wenn es ums Mieten des VDSL-Modems geht. (Das hat mir fast die Schuhe ausgezogen. Man muß das Modem mieten? Man bekommt es nicht verkauft? Wie gesagt arbeite ich über meinen DSL-Anschluß, deswegen habe ich hier sogar ein Ersatz-DSL-Modem und einen Ersatz-Splitter rumliegen, falls mal was kaputt geht.)

Insgesamt hat der Mann von der Telekom sich große Mühe gegeben alles so klingen zu lassen, als wenn die Telekom mir ein sehr großzügiges und gnädiges Angebot macht und so oder so meinen Anschluß zu sich „zurückholt“. Er hat das gezielt so formuliert, daß es fast so klang als wenn ich da gar nichts gegen machen könnte. Ich kann mir gut vorstellen, daß das manchen Kunden verängstigt.

Nun gut, ich „bin ja vom Fach“ und weiß sehr genau, was ich brauche. Ich hab also direkt gefragt, wie es mit dem Anschluß mehrerer Endgeräte, ISDN, IPv6 und natürlich mit den Latenzen aussieht. Vor allem fragte ich selbstverständlich auch nach Traffic Shaping. Die meisten dieser Fragen hat er letztlich nicht beantwortet sondern ist mir ausgewichen. Immerhin erfuhr ich, daß ISDN extra kostet. Aber er hat fleißig weiter versucht mit mir ein Geschäft zu machen. Auch der Hinweis, daß mein Arbeitgeber den Anschluß bezahlt und ich das in jedem Fall mit ihm besprechen müßte, hat den Vertreter nicht gebremst. Das Zauberwort war dann letztlich die feste IP-Adresse. Kaum war es gefallen, verlor er sichtlich das Interesse und verwies darauf, daß ich dafür einen Geschäfts-Anschluß bräuchte und deutete an, daß dafür das Angebot nicht gilt. Hätte ich doch nur früher danach gefragt…

(Nebenbei kenne ich durch Kunden das Webinterface, über das man bei der Telekom eine feste IP-Adresse und den dazugehörigen PTR Resource Record im DNS verwaltet… und kann davon nur dringend abraten. Es ist unübersichtlich, unverständlich und mutet an als wäre es seit 1995 nicht mehr angefaßt worden.)

OK, der Schlipsträger zog ab und machte sich daran, meine übrigen Nachbarn zu belästigen. Ich machte die Tür zu und hörte noch das „wir holen hier im Haus alle Anschlüsse zurück“ das er meiner verschlafenen Nachbarin (Nachtschicht) entgegen schleuderte.

In der Rückschau war die ganze Episode recht amüsant. Aber ich frage mich halt, wie viel tiefer eine Firma eigentlich noch sinken kann. Haustürgeschäfte sind in meinen Augen wirklich das allerletzte. Aber wenn die Telekom sich in Gesellschaft der Zeugen Jehovas, Esotherik-Spinnern mit Wurzelhaarbürsten aus garantiert ökologischem Anbau und anderem Geschmeiß wohl fühlt, meinetwegen. Wer schon mal versucht hat, einen Vertrag mit der Telekom zu kündigen, wir sie in der Nähe von Sekten vermutlich auch ganz gut aufgehoben finden. Wer weiß, vielleicht baut die Telekom auch bald in Fußgängerzonen Tischlein auf und „mißt“ mit einen schlechten Hautwiderstandsmessgerät wie zufrieden ich mit meinem derzeitigen Anbieter bin.

Aus Sicht des Datenschutzes ist meines Erachtens nach durchaus interessant, daß die Telekom die Information, daß einer ihrer Konkurrenten über eine ihrer Leitungen (geht ja nicht anders) einen bestimmten Haushalt mit Telephon und DSL versorgt, letztlich für die Kundenaquise nutzt. Würde mich mal interessieren, ob das in die Rubrik Nutzung meiner persönlichen Daten zu Werbezwecken fällt. Ich weiß, daß es technisch nicht vermieden werden kann, daß die Telekom weiß, daß ich meinen Anschluß nicht bei ihr habe, aber dürfen sie mich deswegen besuchen oder anrufen? (Und falls jetzt jemand denkt, die Telekom würde genauso wie die Zeugen vorgehen und einfach an jeder Tür klingeln, den muß ich enttäuschen: Wie ich später erfragte, hat er nicht bei all meinen Nachbarn geklingelt, nur bei denen die keinen Telekomanschluß haben – was in meinem Haus nachvollziehbar viele zu sein scheinen.)